Sonntag, 27. Mai 2012

Hinter dem Horizont - Der Ratssaal wurde zur Bühne (Interview-Beitrag)

(Dietmar Laatsch) Am Donnerstag noch gehörte der Ratsaal einer vergleichsweise emotionslosen Veranstaltung der Hagener Politiker, am Freitagabend waren dort Emotionen, Begeisterung, Ernsthaftigkeit, Authenzität erlebbar.
Der Oberbürgermeister, Schirmherr des Schülerprojektes "Hinter dem Horizont", hatte eingeladen und der Saal war voll. Was Schülerinnen und Schüler der Hauptschulen Remberg und Altenhagen und des Rahel-Varnhagen-Kollegs heute brachten, hatte gehobenes Unterhaltungsniveau. Das Thema nicht neu: "Interkulturelle und Interreligiöse Begegnung "sollte", so Dirk Schubert, Projektleiter und verantwortlich für das Konzept, "eben nicht akademisch rüberkommen, sondern in der Sprache der Schüler, die davon auch am ehesten betroffen sind". 


Ghandi Chahine, als Regisseur entwickelte mit den ausgewählten Schülerinnen und Schülern Szenen zu diesem Thema und leitete sie zu Drehbuch, Songs und Choreografie an. Unterstützt wurde er dabei von Germain Bleich, der die Musik selbst im Blut hat. "Es war interessant und hat vor allem Spaß gemacht, Fähigkeiten zu entdecken und zu fördern", ist das Statement der Verantwortlichen.


Und die Freude an Bewegung und Spiel war von der ersten Minute an zu spüren. Beziehungen, Werte, Religion, Kultur und Tradition erzählten die Jugendlichen in unterschiedlichen Szenen. Sehr ernsthaft haben sie sich mit Fragen nach dem Sinn des Lebens, dem Unterschied der Religionen, Zukunftsängsten, Perspektiven für ihr Leben beschäftigt. Das wird z.B. deutlich in der Frage ob ein türkischer Junge ein deutsches Mädchen lieben und heiraten darf. Sehr schön dargestellt die zwei Familien, nebeneinander auf der Bühne. Auf der einen Seite die traditionelle türkische Familie, in der Vater und Mutter sehr geehrt werden, aber der Vater doch ganz eindeutig auch über Beziehungsfragen entscheidet. Mitsprache unerwünscht. Auf der anderen Seite die deutsche Familie mit einem mühsam gerufenen Vater, der Mutter die nichts dagegen hat, und einem Vater das Thema nicht wichtig genug scheint. 

Vorurteile unter den Religionen werden ebenfalls szenisch erzählt. Aber auch die Frage der Zukunft, des Status wo gehöre ich eigentlich hin, Leben hier und nach dem Tod,  wird auf den Grund gegangen und die Jugendlichen bleiben dabei nicht an der Oberfläche. Klar wird beim Shoppen mit der Frau auch Klischee bedient, Handtaschen über alles, für die der Typ halt mal ne Überstunde mehr machen wird. So sind Männer halt, so ticken Frauen eben, wird augenzwinkernd dargestellt. 

Cool die Tanz und Gesangseinlagen. Musik die den Jugendlichen im Blut ist, mit wirklich tollen Texten und echter Begeisterung zelebriert, da kochte dann der ehrwürdige Saal über. 

Eine besondere Pointe hat eine der Schluss-Szenen. Da sind sie dann alle tatsächlich im Himmel und auch dort ist dann die Frage, ob das denn gerecht sein kann. Aber es kommt dann das Verständnis durch. der Himmel ist doch sehr anders und sich die Konflikte auf der Erde eigentlich darum nicht lohnen. 

"Hinter dem Horizont" ist ein sehr lebendiges, spannendes, ehrliches Stück von Jugendlichen, die auf den Weg gebracht wurden, "sich mit diesen Fragen einmal intensiver zu beschäftigen". Und die Schülerinnen und Schüler haben diese Chance super genutzt und sich bei der Präsentation, so Oberbürgermeister Dehm, "sich selbst übertroffen. 


Dafür hat er gern die Schirmherrschaft übernommen und sich auch aktiv bei den Proben und der Entwicklung des Stückes Anteil genommen. Das respektierten auch die Jugendlichen dann am Ende, die sich gern mit ihrem OB ablichten lassen wollten. 


Wie heißt es dann treffend in dem Stück: "Wir Jugendlichen haben keine Schuld daran, dass die Erde so ist wie sie ist, aber es wäre unsere Schuld wenn sie so bleibt". Wenn sich Jugend mit diesem Respekt begegnet und an die existenziellen Fragen auf diese Weise herangeht, ist schon einiges getan.  

Die Proben fanden in Berchum bei der Evangelischen Jugend statt, der auch Träger dieses Projektes war. Das Land NRW, die Stadt Hagen, die Evangelische Kirche von Westfalen, die Georges-Anawati-Stiftung, die Stiftung der Sparkasse Hagen und der Evangelische Kirchenkreis standen für die Kosten als Förderer zur Verfügung. 


"Hinter dem Horizont" wird im Rahmen des Tanztheater-Festivals "TANZRÄUME" am Samstag, den 2. Juni 2012, um 12.00 Uhr erneut zu erleben sein. Ort ist dann Halle 3 auf dem Elbersgelände. Der Eintritt für Jugendliche liegt bei 3,-- Euro, Erwachsene zahlen 5,-- Euro. Es ist eine Belohnung für eine coole Truppe Jugendlicher, die mit Herzblut dabei sind. 

Alle Interviews: Dietmar Laatsch

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