Foto: tv58.de / Linda Szemkus |
(HL.) Ein tosendes Publikum in
einem ausverkauften Großen Haus des theaterhagen, nicht enden
wollender stehender Applaus, strahlende Gesichter mit leuchtenden
Augen auf der Bühne, ausschließlich lobende und begeisterte
Meinungen der Gäste aller Generationen und eine gut gelaunte
Premierenfeier auf der großen Bühne, die mit Worten und Gesten des
Dankes von allen Seiten gefüllt war.
Das ist ein kleines Fazit von
dem, was sich nach der Premiere, sorry Uraufführung, des Musical
„BEATS!“, einem landesweit einzigartigen Projekt mit allen
Hagener Berufskollegs im theaterhagen abspielte.
Rund zwei Jahre waren bis
zu diesem Samstagabend (14. April) seit dem Start des Projekts
vergangen und alle Beteiligten ließen in einigen Pressekonferenzen
keinen Zweifel daran, dass es viel Arbeit geben würde; noch bis in
die Woche der Premiere hinein, die allen Beteiligten noch einmal viel
Schweiß kostete.
Davon war allerdings bei
der Premiere nichts mehr zu spüren. Als Steffen Müller-Gabriel mit
dem Philharmonischen Orchester Hagen, das vom ersten Takt an auf dem
Punkt war, schon einmal das Publikum auf die Musik einstimmte, die
das Große Haus dann rund zweieinhalb Stunden füllen sollte,
bemerkte auch der letzte zuvor nach der Musikrichtung Hinterfragende,
dass es nicht möglich ist, das Musical in eine musikalische Richtung
einzuordnen. Komponist Axel Goldbeck hat es sich in seiner Arbeit
wirklich nicht leicht gemacht und hat eine Musikmischung gefunden,
die den Geist sowie den Musikgeschmack (nicht nur) der jungen
Menschen erreicht. Für jeden Geschmack ist etwas dabei, wobei zum
Teil verschiedene Genres in einander verknüpft werden, aber auch
durch einen ständigen Wechsel kein Trend in eine Richtung zu
erkennen ist und erst Recht keine Langeweile aufkommt.
Und die jungen
Darsteller? Sie starten entspannt, routiniert und so, als hätten sie
bereits viele Vorstellungen auf die Bühne gebracht. Sie strahlen
Freude und gute Laune aus, sind von Anfang an in Bewegung und liefern
ein Gefühl ins Publikum in dem Sie vermitteln wollen: „Hier, diese
Bühne ist unser Zuhause.“ Sie agieren wie die Profis, kommen
tänzerisch, gesanglich, sprachlich und schauspielerisch perfekt
herüber und kassieren bereits ab den ersten Minuten, das ganze
Musical hindurch, immer wieder (teils tosenden) Szenen-Applaus. Kaum
ein Mensch, der um dieses Projekt nicht eingeweiht ist, würde auf
die Idee kommen, dass es sich dort auf der Bühne um junge Menschen
handelt, die vor einiger Zeit zum Teil mit dem Theater nicht einmal
in irgendeiner Weise Berührung hatten, geschweige denn die
geringsten Ambitionen zeigten, selbst auf der Bühne zu stehen. Und
trotzdem kommen sie nicht nur aus allen Hagener Berufskollegs, aus
sehr unterschiedlichen Schichten und Kulturen, sie verkörpern als
Ensemble die ganze Bandbreite der (Vor)Bildung und sie kennen sich
zum Teil erst seit den Proben für das Musical. Ganz ähnlich wie es
die Story zum Musical beschreibt. Dabei hat sich diese Story erst im
Verlauf des Projekts ergeben.
Was macht „BEATS!“
nun so einzigartig im Land? Die Idee bestand darin, Schülerinnen und
Schüler aus den Hagener Berufskollegs in ein Musical-Projekt zu
integrieren. Nicht nur auf der Bühne. Alles sollte in den
verschiedenen Bereichen der Schulen selbst erarbeitet und gestaltet
werden. Dafür standen die Profis der unterschiedlichsten Bereiche
des theaterhagen zur Verfügung. Sie unterstützten, fuhren in die
Schulen, gaben Ratschläge und vermittelten das nötige Know-how.
Selbst das Marketing und der Titel des Musical wurden von den
Schülerinnen und Schülern erarbeitet. Aus einem Arbeitstitel
„Hagenial“ wurde schnell „BEATS!“. Aber ein Titel macht noch
keine Story. Aus vielen Einsendungen von sogenannten Plotts aus den
Kollegs wurden dann einige ausgewählt und vom mittlerweile
erfahrenen Librettisten Johannes Maria Schatz zu einer gesamten Story
geschrieben. Schatz ist selbst Lehrer an einem Hagener Berufskolleg
und verfügt nicht nur über die entsprechende Erfahrung sondern er
hat auch den Finger am Puls der Gegenwart. Er ist täglich mit jungen
Menschen im Kontakt. Er weiß, welche Themen sie bewegen, wie sie
aktuell „ticken“ und was denn gerade so „in“ ist. Er
beherrscht die notwendige Balance auf dem schmalen Grad zwischen
Autorität und Augenhöhe zu seinen Schülern, das war bei der
Premierenfeier am Samstag deutlich zu beobachten.
Viel Arbeit aber auch für
die Theater-Profis, die die jungen Menschen zu dem gebracht haben,
was sie an diesem Samstag Abend auf die Bühne brachten. Stefanie
Smits, sie überzeugte in vielen Produktionen des theaterhagen
selbst, hat das Gesangscoaching übernommen und den
BEATS!-Darstellern dazu verholfen, die Vielfalt ihrer Stimmen zu
entdecken. Harte Arbeit für beide Seiten. Was kann es für eine
schönere Bestätigung nach der Premiere geben, wenn die Gäste nun
die Stimmen und das gesangliche Talent der Darstellerinnen und
Darsteller so hoch lobten, wie am Samstag. Balletthagen-Chef Ricardo
Fernando der, zusammen mit seiner Frau Carla Silva, das Tanzcoaching
übernommen hat. Noch während der Premiere erklärte er uns, dass er
seinen außergewöhnlichen Schülern nichts geschenkt hat. Keine
einfachen Choreographien standen auf dem Programm, alle sollten
Tanzen wie die richtigen Profis. Viel Schweiß und Geduldsproben im
Vorfeld und bei der Premiere gab es nicht die geringste Kritik an dem
was er zur Premiere sehen durfte. Robert Schartel, bekannt aus vielen
Weihnachtsmärchen am theaterhagen und auch anderen Produktionen wie
z.B. Jekyll and Hyde, übernahm das Schauspielcoaching und steht in
„BEATS!“ selbst als „Gillian“ auf der Bühne. Alle diese
Menschen wurden bei der Premierenfeier von den jungen Darstellern mit
aller Überzeugung hoch gelobt. Man fand sich beiderseits auf
Augenhöhe wieder und zollte sich gegenseitig Respekt.
„BEATS!“ überzeugt
in allem was zu einem modernen Musical gehört: Schauspiel, Gesang,
Tanz und Acts, Humor, Witz, (Gänsehaut)Gefühl, packende Stimmen,
einem vielseitigen, frischen und durchdachten Bühnenbild, aber auch
durch eine hervorragende Musik von Axel Goldbeck (Musik) und Diane
Weigmann (Songtexte) und natürlich einem flexiblen und harmonischen
Philharmonischen orchesterhagen, das wieder einmal das hervorragende
Zusammenspiel der einzelnen Instrumente zeigt und die Konservenmusik,
mit der wir täglich konfrontiert werden, zur Makulatur werden lässt.
Zwischen Orchester (leider im Graben verborgen) und Bühne erreicht
den Zuschauerraum eine Summe an Hörgenuss, die wie von einer Ebene
zu kommen scheint. Hervorragende Soli, Duetts, Choreinlagen und unter
die Haut gehende Pop-Balladen wecken den Wunsch auf mehr und das
Verlangen, den Soundtrack zu „BEATS!“ als CD käuflich erwerben
zu können.
So war der Applaus nach
dieser Premiere mehr als verdient, denn die Erwartungen aus der
langen Vorbereitungszeit wurden weit mehr als erfüllt. Für die
jungen Menschen, die „BEATS!“ noch in einigen Vorstellungen auf
die Bretter bringen dürfen, hat das ganze Projekt zweifellos dazu
beigetragen, das Selbstvertrauen zu steigern, zu erfahren was in
ihnen steckt und vielleicht sogar als Zukunfts-Kompass gedient. Viele
andere junge Menschen werden sich an ihnen orientieren, denn die
„BEATS!“-Truppe wird einen frischen und positiven Wind in die
Hagener Berufskollegs tragen; vielleicht sogar über die Grenzen der
Region hinaus. Wenn das so ist, dann haben sich rund zwei Jahre
Arbeit durch viele unterschiedliche Menschen gelohnt und die weit
über 100.000 Euro die durch den Theaterförderverein, verschiedene
Sponsoren und auch durch die Eintrittsgelder zu den Vorstellungen
zusammengeflossen sind, haben sich dann zu einem nicht ermessbaren
bzw. unschätzbaren Wert für unsere Gesellschaft sowie die Zukunft
der jungen Generationen entwickelt. Respekt!
Weitere Vorstellungen
gibt es am theaterhagen am Montag, 16.04.12, 11:00 Uhr, Sonntag,
22.04.12, 15:00 Uhr, Montag, 07.05.12, 11:00 Uhr, Samstag, 19.05.12,
19:30 Uhr, Dienstag, 05.06.12, 11:00 Uhr und Montag, 11.06.12, 11:00
Uhr.
Darüber hinaus sind
weitere Vorstellungen wünschenswert (Kommentar der Redaktion).
Karten gibt es unter
www.theater.hagen.de
Mehr Impressionen zur Premierenfeier
gibt es später hier bei uns in einer Video-Reportage.
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