Sonntag, 15. April 2012

BEATS! - Respekt!


Foto: tv58.de / Linda Szemkus
(HL.) Ein tosendes Publikum in einem ausverkauften Großen Haus des theaterhagen, nicht enden wollender stehender Applaus, strahlende Gesichter mit leuchtenden Augen auf der Bühne, ausschließlich lobende und begeisterte Meinungen der Gäste aller Generationen und eine gut gelaunte Premierenfeier auf der großen Bühne, die mit Worten und Gesten des Dankes von allen Seiten gefüllt war.
Das ist ein kleines Fazit von dem, was sich nach der Premiere, sorry Uraufführung, des Musical „BEATS!“, einem landesweit einzigartigen Projekt mit allen Hagener Berufskollegs im theaterhagen abspielte.


Rund zwei Jahre waren bis zu diesem Samstagabend (14. April) seit dem Start des Projekts vergangen und alle Beteiligten ließen in einigen Pressekonferenzen keinen Zweifel daran, dass es viel Arbeit geben würde; noch bis in die Woche der Premiere hinein, die allen Beteiligten noch einmal viel Schweiß kostete.

Davon war allerdings bei der Premiere nichts mehr zu spüren. Als Steffen Müller-Gabriel mit dem Philharmonischen Orchester Hagen, das vom ersten Takt an auf dem Punkt war, schon einmal das Publikum auf die Musik einstimmte, die das Große Haus dann rund zweieinhalb Stunden füllen sollte, bemerkte auch der letzte zuvor nach der Musikrichtung Hinterfragende, dass es nicht möglich ist, das Musical in eine musikalische Richtung einzuordnen. Komponist Axel Goldbeck hat es sich in seiner Arbeit wirklich nicht leicht gemacht und hat eine Musikmischung gefunden, die den Geist sowie den Musikgeschmack (nicht nur) der jungen Menschen erreicht. Für jeden Geschmack ist etwas dabei, wobei zum Teil verschiedene Genres in einander verknüpft werden, aber auch durch einen ständigen Wechsel kein Trend in eine Richtung zu erkennen ist und erst Recht keine Langeweile aufkommt.
Und die jungen Darsteller? Sie starten entspannt, routiniert und so, als hätten sie bereits viele Vorstellungen auf die Bühne gebracht. Sie strahlen Freude und gute Laune aus, sind von Anfang an in Bewegung und liefern ein Gefühl ins Publikum in dem Sie vermitteln wollen: „Hier, diese Bühne ist unser Zuhause.“ Sie agieren wie die Profis, kommen tänzerisch, gesanglich, sprachlich und schauspielerisch perfekt herüber und kassieren bereits ab den ersten Minuten, das ganze Musical hindurch, immer wieder (teils tosenden) Szenen-Applaus. Kaum ein Mensch, der um dieses Projekt nicht eingeweiht ist, würde auf die Idee kommen, dass es sich dort auf der Bühne um junge Menschen handelt, die vor einiger Zeit zum Teil mit dem Theater nicht einmal in irgendeiner Weise Berührung hatten, geschweige denn die geringsten Ambitionen zeigten, selbst auf der Bühne zu stehen. Und trotzdem kommen sie nicht nur aus allen Hagener Berufskollegs, aus sehr unterschiedlichen Schichten und Kulturen, sie verkörpern als Ensemble die ganze Bandbreite der (Vor)Bildung und sie kennen sich zum Teil erst seit den Proben für das Musical. Ganz ähnlich wie es die Story zum Musical beschreibt. Dabei hat sich diese Story erst im Verlauf des Projekts ergeben.

Was macht „BEATS!“ nun so einzigartig im Land? Die Idee bestand darin, Schülerinnen und Schüler aus den Hagener Berufskollegs in ein Musical-Projekt zu integrieren. Nicht nur auf der Bühne. Alles sollte in den verschiedenen Bereichen der Schulen selbst erarbeitet und gestaltet werden. Dafür standen die Profis der unterschiedlichsten Bereiche des theaterhagen zur Verfügung. Sie unterstützten, fuhren in die Schulen, gaben Ratschläge und vermittelten das nötige Know-how. Selbst das Marketing und der Titel des Musical wurden von den Schülerinnen und Schülern erarbeitet. Aus einem Arbeitstitel „Hagenial“ wurde schnell „BEATS!“. Aber ein Titel macht noch keine Story. Aus vielen Einsendungen von sogenannten Plotts aus den Kollegs wurden dann einige ausgewählt und vom mittlerweile erfahrenen Librettisten Johannes Maria Schatz zu einer gesamten Story geschrieben. Schatz ist selbst Lehrer an einem Hagener Berufskolleg und verfügt nicht nur über die entsprechende Erfahrung sondern er hat auch den Finger am Puls der Gegenwart. Er ist täglich mit jungen Menschen im Kontakt. Er weiß, welche Themen sie bewegen, wie sie aktuell „ticken“ und was denn gerade so „in“ ist. Er beherrscht die notwendige Balance auf dem schmalen Grad zwischen Autorität und Augenhöhe zu seinen Schülern, das war bei der Premierenfeier am Samstag deutlich zu beobachten.

Viel Arbeit aber auch für die Theater-Profis, die die jungen Menschen zu dem gebracht haben, was sie an diesem Samstag Abend auf die Bühne brachten. Stefanie Smits, sie überzeugte in vielen Produktionen des theaterhagen selbst, hat das Gesangscoaching übernommen und den BEATS!-Darstellern dazu verholfen, die Vielfalt ihrer Stimmen zu entdecken. Harte Arbeit für beide Seiten. Was kann es für eine schönere Bestätigung nach der Premiere geben, wenn die Gäste nun die Stimmen und das gesangliche Talent der Darstellerinnen und Darsteller so hoch lobten, wie am Samstag. Balletthagen-Chef Ricardo Fernando der, zusammen mit seiner Frau Carla Silva, das Tanzcoaching übernommen hat. Noch während der Premiere erklärte er uns, dass er seinen außergewöhnlichen Schülern nichts geschenkt hat. Keine einfachen Choreographien standen auf dem Programm, alle sollten Tanzen wie die richtigen Profis. Viel Schweiß und Geduldsproben im Vorfeld und bei der Premiere gab es nicht die geringste Kritik an dem was er zur Premiere sehen durfte. Robert Schartel, bekannt aus vielen Weihnachtsmärchen am theaterhagen und auch anderen Produktionen wie z.B. Jekyll and Hyde, übernahm das Schauspielcoaching und steht in „BEATS!“ selbst als „Gillian“ auf der Bühne. Alle diese Menschen wurden bei der Premierenfeier von den jungen Darstellern mit aller Überzeugung hoch gelobt. Man fand sich beiderseits auf Augenhöhe wieder und zollte sich gegenseitig Respekt.

„BEATS!“ überzeugt in allem was zu einem modernen Musical gehört: Schauspiel, Gesang, Tanz und Acts, Humor, Witz, (Gänsehaut)Gefühl, packende Stimmen, einem vielseitigen, frischen und durchdachten Bühnenbild, aber auch durch eine hervorragende Musik von Axel Goldbeck (Musik) und Diane Weigmann (Songtexte) und natürlich einem flexiblen und harmonischen Philharmonischen orchesterhagen, das wieder einmal das hervorragende Zusammenspiel der einzelnen Instrumente zeigt und die Konservenmusik, mit der wir täglich konfrontiert werden, zur Makulatur werden lässt. Zwischen Orchester (leider im Graben verborgen) und Bühne erreicht den Zuschauerraum eine Summe an Hörgenuss, die wie von einer Ebene zu kommen scheint. Hervorragende Soli, Duetts, Choreinlagen und unter die Haut gehende Pop-Balladen wecken den Wunsch auf mehr und das Verlangen, den Soundtrack zu „BEATS!“ als CD käuflich erwerben zu können.

So war der Applaus nach dieser Premiere mehr als verdient, denn die Erwartungen aus der langen Vorbereitungszeit wurden weit mehr als erfüllt. Für die jungen Menschen, die „BEATS!“ noch in einigen Vorstellungen auf die Bretter bringen dürfen, hat das ganze Projekt zweifellos dazu beigetragen, das Selbstvertrauen zu steigern, zu erfahren was in ihnen steckt und vielleicht sogar als Zukunfts-Kompass gedient. Viele andere junge Menschen werden sich an ihnen orientieren, denn die „BEATS!“-Truppe wird einen frischen und positiven Wind in die Hagener Berufskollegs tragen; vielleicht sogar über die Grenzen der Region hinaus. Wenn das so ist, dann haben sich rund zwei Jahre Arbeit durch viele unterschiedliche Menschen gelohnt und die weit über 100.000 Euro die durch den Theaterförderverein, verschiedene Sponsoren und auch durch die Eintrittsgelder zu den Vorstellungen zusammengeflossen sind, haben sich dann zu einem nicht ermessbaren bzw. unschätzbaren Wert für unsere Gesellschaft sowie die Zukunft der jungen Generationen entwickelt. Respekt!

Weitere Vorstellungen gibt es am theaterhagen am Montag, 16.04.12, 11:00 Uhr, Sonntag, 22.04.12, 15:00 Uhr, Montag, 07.05.12, 11:00 Uhr, Samstag, 19.05.12, 19:30 Uhr, Dienstag, 05.06.12, 11:00 Uhr und Montag, 11.06.12, 11:00 Uhr.

Darüber hinaus sind weitere Vorstellungen wünschenswert (Kommentar der Redaktion).

Karten gibt es unter www.theater.hagen.de


Mehr Impressionen zur Premierenfeier gibt es später hier bei uns in einer Video-Reportage.

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