(Hagen-Westf. – 27.07.2012) Diese Woche hatte das Wal- und Delfinschutz-Forum (WDSF) eine fachbiologische Analyse seiner Akteneinsicht für das Delfinarium im Nürnberger Tiergarten veröffentlicht. Tiergartendirektor Dag Encke verharmlost die Kritik des WDSF an der permanenten Verabreichung von Psychopharmaka in einer Pressemitteilung (http://www2.nuernberg.de/presse/mitteilungen/presse_32604.html) als unhaltbar und spricht von einer „tierschutzwidrigen Einstellung“.
Encke bestreitet nicht die Verabreichung des Medikaments Diazepam, das zu den süchtig machenden Drogen zählt, will allerdings Glauben machen, dass es lediglich als Appetitanreger für die Delfine eingesetzt wurde. Dabei behauptet Encke, dass sich das WDSF lediglich über den Beipackzettel des Medikaments schlau gemacht hätte. Die Gefangenhaltung der Delfine selbst begründet Encke mit dem Gesamtzustand des Ökosystems.
Die Analyse der Delfinhaltung aufgrund der tiermedizinischen Tagesberichte des Nürnberger Tiergartens erfolgte im Auftrag des WDSF durch eine unabhängige Biologin in Hamburg, die über einen Bachelor of Science-Abschluss in Biowissenschaften verfügt und derzeit vor ihrem Masters of Science-Abschluss mit Schwerpunkt meereswissenschaftlicher Themen steht.
Dem fachärztlichen Medikamenten-Ratgeber „Onmeda“ zum Einsatz des Psychopharmaka Diazepam, der von Fachärzten, Wissenschaftlern und Apothekern erstellt wurde, ist im Internet die Gefährlichkeit des Präparats zu entnehmen (http://medikamente.onmeda.de/Wirkstoffe/Diazepam.html). Nirgendwo findet sich dort ein wissenschaftlicher Hinweis auf die verharmlosende Argumentation des Tiergartendirektors über den Einsatz als Appetitanreger. Das Schweizer „Institut für Veterinärpharmakologie und -toxikologie“ weist ausdrücklich darauf hin, dass Benzodiazepine wie Diazepam bei gesunden Tieren zu keiner verlässlichen Sedation (Beruhigung) führt. Es kann im Gegenteil zu Erregungs- und Panikzuständen kommen (http://www.vetpharm.uzh.ch/reloader.htm?wir/00000043/9145_04.htm?wir/00000043/9145_00.htm). Es handelt sich also keinesfalls um einen „harmlosen Appetitanreger“.
Das WDSF hatte aufgrund der Akteneinsicht in Zusammenhang mit dem Suchtpräparat beweisen können, dass Diazepam sogar einem schwangeren Delfin (Naomi) im April 2012 verabreicht wurde. Im tierärztlichen Bericht des Tiergarten heißt es am 16.04.2012 für Naomi: „Vitalfunktion Fötus ok, 10 mg Diazepam“. Am 18.04.2012 bekam der Delfin nochmals 10 mg Diazepam verabreicht. Am 01.05.2012 wird die Psychopharmaka-Behandlung mit Antibiotika fortgeführt. Fachärztlich darf Diazepam in der Schwangerschaft nur bei „zwingender Indikation“ verabreicht werden (http://www.gifte.de/Antidote/diazepam-ratiopharm.htm).
WDSF-Geschäftsführer Jürgen Ortmüller: „Hier handelt es sich um die mutwillige oder grob fahrlässige Schädigung eines Fötus, ein ganz eindeutiger Verstoß gegen das Tierschutzgesetz und damit ein Straftatbestand. In den letzten acht Jahren sind insgesamt zehn Delfinbabys von Nürnberger Delfinen verstorben, nicht eine einzige Nachzucht hat überlebt. Von insgesamt 20 Nachzuchten in Nürnberg seit 1980 haben lediglich zwei überlebt. Das war in den 90‘iger Jahren.“ (s.a. Taxon-Report http://www.wdsf.eu/index.php/delfinarien/delfinarium-nuernberg/bestand).
Das WDSF wirft Tiergartendirektor Encke „kommerzielle Ausbeutung auf Kosten des Lebens der sensiblen Meeressäuger“ vor und fordert seine umgehende Entlassung. Ortmüller: „Der Tiergartendirektor hat versagt. Die Besucher wissen nicht, was hinter den Kulissen des Delfinariums passiert. Ihnen wird eine heile Welt vorgegaukelt. Das WDSF bittet die Tiergarten-Besucher, sich solidarisch für die Delfine einzusetzen und das Delfinarium nicht mehr zu besuchen.“ Die Delfinlagune sollte geschlossen werden und die Tiere stressfrei in einem Freiluftgehege mit Meerwasser untergebracht werden, meint das WDSF. Im kommenden Monat will das WDSF seine Akteneinsicht in Nürnberg fortsetzen.—
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