Nach Informationen des ARD-Politikmagazins "Report Mainz" werden Intensivpflegepatienten im häuslichen Bereich in einer Preisspanne von 40 bis 60.000 Euro zwischen Pflegediensten gehandelt.
In einem verdeckt gedrehten Verkaufsgespräch hat ein Pflegedienst demMagazin fünf Patienten zum Preis von 250.000 Euro zum Kauf angeboten.
Die dazu gehörenden Pflegeteams können auch übernommen werden. Der
Inhaber des Dienstes betonte, dass derzeit keiner der zu verkaufenden
Patienten "im Sterben" liege. Gegenüber dem ARD-Politikmagazin sagte
er weiter, dass der Käufer mit seinen Patienten in den nächsten
Jahren viel Geld verdienen könne und erklärt dieses exemplarisch an
einem Beispiel: "Eine Frau ist 1962 geboren und wenn sie gut betreut
wird, kann sie zehn, 20 Jahre leben." Da die Kassen für diese
Patientin, die rund um die Uhr betreut werde, gute Verrechnungssätze
zahle, könne der Käufer mit Profiten von über 4.000 Euro pro Monat
nur für diese eine Patientin rechnen.
"Report Mainz" hat die Recherchen den Gesundheitspolitikern Karl
Lauterbach (SPD) und dem Patientenbeauftragten der Bundesregierung,
Wolfgang Zöller (CSU), vorgelegt. "Solche Vorgänge waren mir bislang
nicht bekannt", sagte Lauterbach im Gespräch mit dem Politikmagazin.
Auch Wolfgang Zöller kommt zu einer ähnlichen Einschätzung: "Da wird
Ethik und Monetik wohl verwechselt. Es ist ganz schlimm, wenn gerade
mit Patienten, einem sehr sensiblen Bereich von Patienten, die ja
rund um die Uhr betreut werden müssen, wenn mit denen so Geschäfte
gemacht werden, ist für mich nicht nachvollziehbar." Für Zöller ist
ein solcher Verkauf "unethisch" und "unmoralisch".
Desweiteren liegen dem Politikmagazin Verträge zwischen zwei
Pflegediensten, inklusive der Patientenlisten, aus diesem Jahr vor.
Darin geht es um über 30 Patienten. Im Vertrag wurde ein Preis von
40.000 Euro pro Patient kalkuliert, wenn die Übernahme erfolgreich
ist. Die dazu gehörenden Pflegeteams konnten übernommen werden.
20.000 Euro sollten dazukommen, wenn der Patient mindestens zwei
Monate beim neuen Pflegedienst bleibt.
Die Vereinbarung zwischen den zwei Pflegediensten wurde zwar als
"Unternehmenskaufvertrag über einen Teilbetrieb" deklariert, in
Wahrheit aber sei es vor allem um Patienten und deren Rendite
gegangen. Das sagt der ehemalige Geschäftsführer des Pflegedienstes,
Meiko Spitzenberger, der damals den Kaufvertrag mitunterzeichnete.
"Wenn ich eine Firma veräußere, veräußere ich eine komplette Firma,
mit all ihren Risiken, mit all ihren Gefahren, die sich hinter so
einem Verkauf verbergen. Hier wird nur der Geschäftsinhalt verkauft,
der Patient als Renditeobjekt", so Spitzenberger im "Report
Mainz"-Interview. Tatsächlich hat der kaufende Pflegedienst
keineswegs alle Patienten des Verkäufers übernommen. In einer E-Mail
vom Februar 2012, kurz vor Vertragsabschluss, eliminiert dieser
kurzerhand zwei Patienten, weil sie ihm offensichtlich nicht lukrativ
genug erschienen. Dieses Schreiben liegt "Report Mainz" vor. Darin
heißt es: "Bei dem Umsatz der beiden Patienten können wir einen
derartigen Kaufpreis natürlich nicht darstellen." Auf "Report
Mainz"-Nachfrage räumt der Käufer die zwei Fälle ein, die E-Mail sei
aber aus dem Zusammenhang gerissen. Man habe sich "bereit gezeigt,
jeden Patienten zu übernehmen", auch diejenigen, die "nicht
kostendeckend versorgt werden" können. Bei den beiden abgelehnten
Patienten handele es sich um "komplexere Geschichten", also
Spezialfälle.
"So wie mir die Informationen jetzt gezeigt werden: Das ist
wirklich Menschenhandel mit besonders sensiblen Patienten", sagte
Wolfgang Zöller gegenüber "Report Mainz". Karl Lauterbach ergänzt:
"Auf mich macht das Gesamte den Eindruck eines verdeckten
Menschenhandels. Ich bin überrascht und auch schockiert."
Die Oberärztin Simone Rosseau von der Berliner Charité,
gleichzeitig im Vorstand einer der wichtigsten Fachgesellschaften für
außerklinische Beatmung, sieht durch solche Geschäfte eine große
Gefahr für beatmete Intensivpatienten. "In letzter Konsequenz
bedeutet das, dass die Patienten nicht die Behandlung bekommen, die
sie eigentlich bedürfen, weil sie dann nicht mehr so viel Geld
einbringen. Das wäre der Fall, wenn ein Patient von der Beatmung
entwöhnt wird", sagte Rosseau gegenüber dem ARD-Politikmagazin. Auf
Nachfrage, ob Patienten daher teilweise länger krank blieben, als sie
müssten, antwortete sie: "Sie werden länger beatmet als sie müssten,
oder wenn sie an Patienten denken, bei denen vielleicht ein
Sterbeprozess begonnen hat, die in ihrer letzten Lebensphase sind,
kann auch heißen, am Leben halten um jeden Preis, weil ein
Beatmungspatient Geld bringen muss".
Zahlen darüber, wie viele
Intensivpflegepatienten/Beatmungspatienten es im häuslichen Bereich
gibt, liegen den Krankenkassen nicht vor, erklärt der GKV
Spitzenverband auf "Report Mainz"-Nachfrage. Genau das sei aber für
eine optimale Versorgung von Beatmungspatienten wichtig: "Die
Patienten sind nicht nur extrem teuer auch für die
Solidargemeinschaft, sondern es sind auch sehr kranke Patienten, die
eine vernünftige Betreuung brauchen. Insofern wäre es schon in dieser
Hinsicht ganz wichtig, Patientenzahlen zu kennen", sagte Rosseau im
"Report Mainz"-Interview.
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