Donnerstag, 20. September 2012

Leserbrief zum Thema Sozialticket in Hagen


"Ab 1. Januar 2013 können also auch in Hagen EmpfängerInnen von ALG II, Wohngeld und Grundsicherungsrenten in den Genuss des verbilligten Sozialtickets für den ÖPNV kommen. Das hätte schon seit Beginn dieses Jahres der Fall sein können, wenn der Rat es nicht abgelehnt hätte – aus Kostengründen. Die VertreterInnen von Bündnis 90/Die Grünen hatten in den Debatten im Sozialausschuss und Rat darauf hingewiesen, dass die Verwaltung die zu erwartenden Kosten künstlich hochgerechnet habe und gefordert, die Chancen des Modellprojekts zu nutzen. Die Landesregierung hatte die Teilnahme an dem Modellprojekt auch ausdrücklich Kommunen im Nothaushalt gestattet. Darauf wurde in der Ratsvorlage auch hingewiesen:

Mit der Befristung des Projekts bis zum 31.12.2012 soll insbesondere den Belangen der Nothaushaltsgemeinden Rechnung getragen werden und für jede Kommune eine Ausstiegsmöglichkeit (nach der Pilotphase) gegeben sein. Für eine Weiterführung des Projektes über den 31.12.2012 hinaus bedarf es zudem eines erneuten Verwaltungsratsbeschlusses des VRR.“

Jetzt stellt sich heraus, dass die Kosten für etwas mehr soziale Fürsorge durchaus zu stemmen gewesen wären. Denn nicht alle 33.000 Berechtigten in Hagen hätten das Ticket genutzt und damit wären die veranschlagten Kosten weitaus geringer ausgefallen. Außerdem: Die Hagener Straßenbahn rühmt sich jetzt schon im zweiten Jahr hintereinander, dass sie mehr „eingespart“ habe als im Konsolidierungsplan vorgesehen (ich denke immer dran, wenn ich abends mal wieder ziemlich lange auf den Bus warte bzw. eine Veranstaltung überhastet verlassen muss). Und für die Einkommensschwachen in Hagen war nicht genug Geld da? Das ist empörend.

Dabei ist das Sozialticket nur eine begrenzte soziale Wohltat. Dass lediglich etwa fünf Prozent der Berechtigten das Ticket in Anspruch genommen haben, zeigt, dass 29,90 Euro immer noch zu hoch sind. Im Regelsatz für ALG-II-EmpfängerInnen sind etwa 15 Euro im Monat für Mobilität vorgesehen. Angesichts wachsender Armut bundesweit, aber auch in dieser Stadt ist eine Politik, die für sozialen Ausgleich sorgt und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht, zwingend geboten – koste es, was es wolle. Und dass es in diesem Land genug Geld gibt, hat der Armuts- und Reichtumsbericht ja gerade sehr nachdrücklich dokumentiert.

Wenn der Rat jetzt die Einführung des Sozialtickets beschließt, kann man zwar sagen: Besser spät als nie. Aber es bleibt der bittere Nachgeschmack, dass alles, was für arme MitbürgerInnen gedacht ist, in Hagen auf die lange Bank geschoben wird."

Ruth Sauerwein
Mitglied im Sozialausschuss für Bündnis 90/DIE GRÜNEN

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