Sonntag, 2. September 2012

"Cabaret": Das ganze Opus ein Spielort

(Dietmar Laatsch) Es herrschte aufgeregte Spannung vor dem "OPUS-Entree". Der Vorraum mit rotem Stoff ausstaffiert, dezent ausgeleuchtet. Wann gibt es das schon einmal, als Zuschauer Teil einer Inszenierung sein zu können. Dann kamen sie die "Kit-Kat-Girls and Boys". Mischten sich unter die Menge. In Kostümen von Animierdamen eben und dieser Rolle wurden sie gerecht. Dann der großartige Henrik Wager als Conferencier mit dem Opening "Cabaret". Begleitet am Piano. Wager erwies sich als Glücksgriff diesen internationalen Musicalstar mit dieser Rolle besetzt zu haben.
Henrik Wager spielte und sang überzeugend, gab den Macho mit schlüpfrigem Witz, war ironisch, komisch, spielte mit großem Tempo, nahm den Saal mit, brachte Stimmung bis in die letzten Reihen des ausverkauften Hauses. Die Kit-Kat-Girls und Kit-Kat-Boys gingen das Tempo mit spielten, tanzten, sangen ebenfalls mitreißend. Ihnen galt immer wieder der Szenenapplaus für ihre Darbietungen. 

Das ganze Theater war Spielort. Nie zuvor waren die Schauspieler so nah am Publikum. Jan Bammes und sein Team hatten es geschafft das ganze OPUS als Theaterbühne herzurichten. Überall das vorherrschende Rot des "Cabaret". Die Bühne ausgestattet mit einer Drehbühne war zwar spärlich bestückt, aber es braucht auch nicht immer viel Requisite um großartiges Theater zu machen. Für die Premiere des Musicals ist es nahezu ein Glücksfall das "OPUS" zur Verfügung zu haben und es kommen ja sicher noch sehr viele Besucher in den Genuss das großartige Ensemble live zu erleben. 

Die Hauptrollen alle durchweg mit erstklassigen Schauspielern besetzt. So war es sicher für Thilo Borowczak ein Vergnügen "Cabaret" zu inszenieren. Da kommt der werdende Schriftsteller Clifford Bradshaw nach Berlin und findet hier die Atmosphäre die er in Paris und Rom vermisst hat. Berlin atmet auf der einen Seite noch den Glamour der 20er Jahre, auf der anderen die aufkeimende Weltwirtschaftskrise, die Saat des Dritten Reiches kann so aufgehen. Das wird hier sehr dicht erzählt und überzeugend in den Hauptrollen wiedergegeben. 

Der Ami kommt, vermittelt durch den glühenden Hitler-Verehrer Ernst Ludwig, bei Fräulein Schneider unter. Herr Schneider nimmt nicht nur Englisch-Unterricht, sondern nutzt den etwas naiven Clifford auch für seine zwielichtigen Geschäfte aus. Dann kommt noch Sally Bowles ins Leben des angereisten Amerikaners. Sie ist ebenfalls Bardame des Kit-Kat-Clubs und wird dann aber gefeuert. Bei Clifford kommt Sally unter und die beiden werden ein Paar. Eine Beziehung von der beide profitieren. Sally führt ihren Clifford in das wahre Leben Berlins ein. 

Das Geld ist bereits knapp. Viel kann Clifford nicht zahlen. "Lieber wenig, als kein Geld", nach dieser Devise vermietet  Fräulein Schneider, auch Moral kann man sich nur so lange leisten, wie es nicht an den eigenen Geldbeutel geht. So kommt auch die Prostituierte Fräulein Kost bei ihr unter, die Matrosen "heuern" bei ihr während ihrer Landgänge reihenweise an. Aber ein Schriftsteller hebt das Niveau und auch der Obsthändler Herr Schultz gastiert ja noch im Haus. 

Der Obsthändler, Herr Schultz, ist verwitwet, wie auch die Vermieterin. Er nähert sich mit frischem Obst aus seinem Laden an, sucht eigentlich nur etwas Herzenswärme. Diese Sehnsucht teilt Fräulein Schneider, die zwar schockiert von der Frivolität ihrer Untermieterin Fräulein Kost ist und zugleich erwacht gerade dadurch in ihr die Frau, die nach dem Tode ihres Mannes schon mit begraben schien. Komisch rührend wie da zwei suchen und durch Zufall dann zueinander finden, nur um dann mit aller Härte dann doch wieder Vereinzelung zu erleben. Die gerade erst gefeierte Verlobung wird gelöst, weil Herr Schultz Jude ist. Das Gift des Naziterrors, der eben nicht nur mit sichtbarer Brutalität sondern zunächst schleichend sich in den Herzen der Menschen verbreitete, zerstört nicht nur den Lebenstraum des jüdischen Obsthändler und seiner angehenden Braut. 

Zunächst nur unterschwellig breitet sich der Terror des Dritten Reiches aus, er ist spürbar zu atmen. Clifford, der auch "Mein Kampf" liest ist über den Geschäftsmann Ernst Ludwig erschrocken. Sehenden Auges ist er auf der Seite Hitlers zu finden und ebnet in seinem Umfeld dem braunen Terror die Bahn. Es ist wohl auch als Mahnung zu verstehen, Geschichte kann sich wiederholen. Viele haben es gesehen, gewusst, waren beteiligt und wuschen ihre Hände dann doch in Unschuld. 

Musikalisch gibt es sowohl den Swing der 20er Jahre, aber auch die Begleitmusik des Dritten Reiches zu hören. Hervorragend durch das kleine Ensemble intoniert, von Steffen Müller-Gabriel geleitet. Auch ein Kinder- und Jugendchor mit Caroline Piffka und Alexander Ruef hat seinen gelungenen Auftritt. 

Eine überaus gelungene Premiere wurde sicher noch lange gefeiert. Beteiligt am großartigen Erfolg des Abends waren: Henrik Wager, Marysol Ximenez-Carillo, Jeffery Krueger, Sylvia Rentmeister, Werner Hahn, Richard van Gemert, Maria Klier, Anne-Maria Lone Glindner, Milena Hagedorn, Maria Lena-Hecking, Janina Keppel, Emanuele Pazienza und Timo Radünz. 

Musikalische Leitung: Steffen Müller-Gabriel; Regie: Thilo Borowczak; Choreographie: Barbara Tartaglia; Bühnenbild: Jan Bammes;
Kostüme: Christiane Luz; Chor: Wolfgang Müller-Salow. 

Weitere Termine: Mittwoch 5.9., Freitag 7.9., Samstag 8.9.jeweils 19.30 Uhr, Sonntag 9.9. um 18.00 Uhr, 
Mittwoch 12.9., Freitag 14.9.jeweils um 19.30 Uhr, Sonntag 16.9. um 18.00 Uhr, 
Mittwoch 19.9., Freitag 21.9., Samstag 22.9.jeweils 19.30 Uhr, Sonntag 23.9. um 18.00 Uhr, 
Mittwoch 26.9. Zusatzvorstellung Donnerstag 27.9., Freitag 28.9. jeweils 19.30 Uhr und Sonntag 30.9. um 18.00 Uhr.  

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