Freitag, 2. November 2012

Leserbrief „Pflegebedürftige ins Ausland?“


"Am vergangenen Wochenende geisterte die Meldung durch die Medien, dass die Kosten für Heimplätze für pflegebedürftige alte Menschen drastisch ansteigen und dass es darum günstiger sein könne, diese Menschen im Ausland versorgen zu lassen. Der Seniorenbeirat Hagen erklärt dazu: „Wir sind erschüttert und empört darüber, dass solche Pläne aus Kostengründen überhaupt in Erwägung gezogen werden. Unsere Arbeit geht dahin, alle Initiativen und Ideen zu unterstützen, die ein selbstbestimmtes Leben im Alter in guter Nachbarschaft vor Ort ermöglichen.“

Laut Welt am Sonntag vom 28.10.2012 haben sowohl die Kassen AOK und GEK auf Anfrage bestätigt, man sei offen für Modelle, in denen Deutsche im Ausland versorgt würden. (Im Moment verhindert die Gesetzgebung direkte Verträge von Poflegekassen mit Heimen im Ausland.) Weiter berichtet die Welt am Sonntag: „Gerade Spanien sei angesichts seiner Wirtschaftslage ein logischer Partner, um deutsche Pflegebedürftige aufzunehmen, gäbe es entsprechende Strukturen vor Ort, sagt Günter Danner, Lobbyist der deutschen Sozialversicherung in Brüssel. `Viele Menschen in Sozialberufen mit EU-weit anerkannten Abschlüssen bekommen dort einfach keine Jobs mehr.`“

Jetzt mag es sein, dass sich manche Seniorinnen und Senioren dafür entscheiden, ihren Lebensabend auf Mallorca, in Thailand oder Rumänien zu verbringen. Da diese Debatte aber vor dem Hintergrund geführt wird, dass immer mehr Heimbewohner auf staatliche Leistungen angewiesen sind, befürchten wir, dass von solchen Regelungen vor allem arme Rentner betroffen sein sollen. Und deren Zahl wird in den kommenden Jahren stark steigen.

Menschen, die in ein Heim kommen, sind zumeist stark pflegebedürftig und häufig dement. Sie in diesem Zustand in fremde Länder zu schaffen mit fremder Sprache und Kultur, ohne Kontakt zu Angehörigen und Freunden, ist zutiefst menschenverachtend. Die meisten Menschen wollen in ihrer vertrauten Umgebung alt werden. Wir erinnern uns noch an Debatten, dass es problematisch ist, wenn alte Menschen nicht in Heimen vor Ort versorgt werden können. Und wer wird über die Verbringung ins Ausland entscheiden? Die Pflegekasse? Ein Berufsbetreuer? Angehörige, denen man es aus finanziellen Gründen nahe legt?

In Hagen bemühen sich seit vielen Jahren Seniorenbeirat, Seniorenbüro, Wohlfahrtsverbände, Freiwilligenzentrale und viele sozial engagierte Menschen, Verhältnisse zu schaffen, um alten pflegebedürftigen Menschen möglichst lange ein Leben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Einkaufshilfen und –fahrten, Bringedienste, Seniorenhandwerker, jugendliche Seniorenhelfer, Netzwerk Demenz, Beratung in Wohnungsfragen – das ist ein kleiner Ausschnitt der vielfältigen Aktivitäten. Anstatt über Abschieben ins Ausland nachzudenken, muss alle Energie aufgewandt werden, wohnortnahe Dienstleistungen aufzubauen und nachbarschaftliches Leben zu fördern."

Ruth Sauerwein und Hans-Jürgen Klein
für den Seniorenbeirat Hagen

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