Donnerstag, 24. Januar 2013

Stadtarchiv und Denkmalbehörde suchen Zeitzeugen und Fotos



Nach dem ersten schweren Luftangriff auf Hagen am 1. Oktober 1943 lag die Innenstadt in Trümmern. Ausländische Arbeitskräfte und Kriegsgefangene mussten, wie auf dem Foto in der Mittelstraße, die verschütteten Straßen frei räumen. Der im Hintergrund sichtbare, damals noch intakte Turm der Johanniskirche wurde bei dem schweren Luftangriff am 2. Dezember 1944 zerstört. (Foto Stadtarchiv Hagen)
Vor 70 Jahren mussten die Einwohner von Hagen erfahren, was der am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast von Propagandaminister Dr. Joseph Goebbels verkündete „Totale Krieg“ wirklich bedeutet. Im Frühjahr und Sommer 1943 zerstörten britische Bomber die wichtigsten Großstädte an Rhein und Ruhr. In Hagen stieg die Zahl der Fliegeralarme stetig an. Im September des Jahres war Hagen die einzige noch unzerstörte Großstadt im westdeutschen Raum. Diesen Rang behielt Hagen nicht lange, denn binnen Jahresfrist lag auch sie in Schutt und Asche. Am 1. Oktober 1943 flogen 229 viermotorige Lancaster-Bomber der Royal Air Force einen ersten Großangriff auf die Stadt. An Rhein und Ruhr machte 1943 ein Vers die Runde: „Lieber Tommy fliege weiter, hier wohnen nur die Bergarbeiter, fliege weiter nach Berlin, da haben alle Ja geschrien.“

An die Kriegsjahre und Luftangriffe erinnert heute nur noch wenig im Stadtbild. Hagen wurde nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut. Die Planung des Wiederaufbaues, so Historiker Dr. Ralf Blank vom Fachbereich Kultur der Stadt Hagen, begann schon 1943 auf Veranlassung des Rüstungsministers Albert Speer, der auch „Generalbevollmächtigter für die Regelung der Bauwirtschaft“ war. Speer ließ durch seinen Arbeitsstab im Frühjahr 1944 auch einen Entwurf für den Wiederaufbau der Stadt Hagen erstellen. Wie dieser Plan ausgesehen hat, ist leider unbekannt, so Blank, da alle Unterlagen und Baupläne bei den Luftangriffen vernichtet wurden.

Der große Hochbunker in Haspe wurde 2010 aufwändig abgerissen, um einem modernen Geschäftshaus Platz zu machen. Bis dahin war er Mittelpunkt von Haspe und im Stadtbild nicht zu übersehen. (Foto Stadtarchiv Hagen)
Inmitten der Trümmer und Ruinen standen bei Kriegsende 1945 in Hagen und anderen Großstädten monumentale Gebäude aus Stahlbeton. Diese Hochbunker und tief in den Untergrund führende Stollen sind heute die einzigen Bauwerke, die im Stadtbild an das „Dritte Reich“ und den Bombenkrieg erinnern. Hagen war seit Oktober 1940 in ein gigantisches Bauprogramm, das schon nach zwei Jahren scheiterte, einbezogen. Zwar wurden längst nicht alle geplanten Bunker und Stollen fertig gestellt, doch im Stadtgebiet stößt der aufmerksame Beobachter immer wieder auf derartige Bauten.


Der Fachdienst Wissenschaft, Museen und Archive des Fachbereichs Kultur und die Untere Denkmalbehörde der Stadt Hagen kooperieren auf dem Gebiet der Archäologie und Denkmalpflege schon seit einigen Jahren erfolgreich miteinander. Die Kunsthistorikerin Ina Hanemann, Leiterin der Unteren Denkmalbehörde, ist auch mit dem bisherigen Ergebnis eines vor einem Jahr begonnenen Bunkerprojekts mehr als zufrieden.

Ein belgischer Soldat steht im August 1945 vor dem Hochbunker in der Körnerstraße. Der Bunker wurde am Abend des 15. März 1945 von einer Bombe getroffen. Über 250 Menschen starben bei diesem schwersten Bunkerunglück des Zweiten Weltkriegs. Nach dem Krieg diente der Bunker mit dem großen Einschlagloch alliierten Besatzungssoldaten als Fotomotiv. (Foto Stadtarchiv Hagen)
„Es ist uns gelungen, bereits einen großen Teil der noch heute in Hagen vorhandenen Bunker und Stollen zu dokumentieren. Bunker und andere Luftschutzbauten aus der nationalsozialistischen Zeit werden erst seit wenigen Jahren auch als Denkmäler begriffen und unter Schutz gestellt“, erläutert Ina Hanemann.
Dr. Ralf Blank fasst die Bedeutung dieser Denkmäler für die Erinnerungskultur und die Stadtgeschichte zusammen: „Es sind bedrückende, düstere Bauwerke. Sie drängen sich auf und konfrontieren uns auf eine eindringliche Weise. Ihre Geschichte steht nicht nur für den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg. Auch das Flüchtlingselend in der Nachkriegszeit, damals dienten die Bunker lange Jahre als Notquartiere, ist mit ihnen verbunden. Einige Luftschutzbauten in Hagen wurden zwischen 1960 und 1985 zu Atombunkern umgebaut. Daher spiegelt sich auch der Kalte Krieg und der lange Ost-West-Konflikt in diesen Gebäuden wider.“
Horst Hassel und Horst Klötzer beschäftigen sich seit einem Jahr im Auftrag der Stadt mit Bunkern und Stollen. Die Pensionäre sind ehrenamtlich tätig, sprechen mit Zeitzeugen, dokumentieren ihre Erinnerungen und sichten Fotos und Tagebücher. Hassel und Klötzer sind mittlerweile wahre Experten, wenn es um Luftschutzbauten geht. Über 140 solcher Anlagen haben sie bereits in Hagen aufgenommen, vermessen und registriert. Die unterschiedliche Form von Bunkern erstaunt sie immer wieder.
„Zwar gab es Standardtypen, vor allem bei Hoch- und Industriebunker, ansonsten wurden auch Fertigteile und in eigener Regie gebaute Elemente verbaut, vor allem von Privatleuten“, bilanzieren Horst Hassel und Horst Klötzer.
Das Stadtarchiv und die Untere Denkmalbehörde suchen nun Zeitzeugen, die ihre Erlebnisse in Bunkern und Stollen erzählen können. Gesucht werden aber auch Fotos, Tagebücher, Briefe und Aufzeichnungen, die sich mit den Luftangriffen und den Ereignissen im Zweiten Weltkrieg in Hagen beschäftigen.
Wer solche Unterlagen hat, muss sich keine Sorgen machen. Fotos, Tagebücher und Aufzeichnungen werden lediglich gescannt und dann wieder zurückgegeben. Mit Zeitzeugen werden persönliche Gespräche geführt. Auf die Geschichten, die hinter den Fotos, Aufzeichnungen und Erinnerungen stecken, sind sicherlich auch die Leser dieser Zeitung gespannt.
Wer sich mit seinen Erinnerungen und Erinnerungsstücken an dem Projekt beteiligen möchte, sollte sich mit Andreas Korthals vom Stadtarchiv unter der Rufnummer 02331-2073339 in Verbindung setzen.

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